Montag, Juli 03, 2006

Was vom Tage übrig blieb

Heute morgen um 6:00 Uhr auf dem Weg zur Arbeit durchgequerte ich wie in letzter Zeit des öfteren, seitdem ich mit dem Fahrrad fahre, den kleinen Park direkt am Nicolaiviertel, direkt gegenüber des Palastes der Republik. Im Zentrum steht ein Denkmal mit den Figuren von Marx und Engels, glaube ich zumindest. Bereits mehrmals kam mir dort eine alte Asiatin entgegen, die gerade ihren Workout machte, obwohl Tai-Chi wahrscheinlich besser passen würde. Auch sind mir schon des Öfteren verschiedene Gestalten aufgefallen, die auf dem Rasen offensichtlich ihren Rausch ausschliefen, so wie vor kurzem der junge Mann, der auf dem Bürgersteig der Schönhauser lag und schlief. Heute morgen jedoch schien ein Tourist einfach kein Zimmer für die Nacht bekommen zu haben, denn statt der sonst obligatorischen Plastiktüten parkte ein schwarzes Case neben der schlafenden Gestalt, welches sonst nur Leute besitzen, die sich mit ihren kosmopolitischen Freunden auf den Flughäfen dieser Welt treffen. Als ich vorbeifuhr, sah ich noch etwas kleines auf dem Rasen sitzen. Erst hielt ich es für eine Taube, doch durch einen zweiten Blick zeigte sich, das es ein kleines Kaninchen war, das dort ganz still in der Morgensonne im Gras hockte. Vielleicht das Haustier der alten Asiatin, dachte ich mir und fuhr der Arbeit entgegen.
In der Berliner Morgenpost vom Sonntag las ich einen Artikel über das Ende von Beziehungen. Der Untertitel lautete "Nägelkauen, Schmatzen, im Ohr pulen und schlürfen - meistens sind es die kleinen Dinge, die eine Beziehung killen". Das wiederum erinnerte mich an alten Bush-Song, in dem es im Refrain hieß "the little things that kill". Am besten gefiel mir folgender Passus:

"Diese Dinge sind deshalb so enorm zerstörerisch, weil sie das fragile Gleichgewicht der Intimität zerstören. Jede Liebesbeziehung ist ja eine ungeheure Preisgabe von Distanz: Sex ist schließlich eine unglaubliches Sammelsurium von absolut lächerlichen Tätigkeiten, die man mit den meisten anderen Menschen als ekelerregende Zumutungen empfinden würde. Und erst recht bringt das Zusammenleben einen gewaltigen Verzicht auf Intimsphäre mit sich. Die kleinen unappetitlichen Verstöße empfinden wir deshalb als unverzeihlich, weil das Rückzugsgebiet, in dem wir nicht von der Körperlichkeit des anderen behelligt werden, ohnehin schon so klein ist."

Nach der Arbeit hatte ich den ersten Termin für die Physiotherapie, um mein Knie wieder aufzubauen. Eine nette 24jährige Physiotherapeutin namens Caroline erzählte mir von ihrer Triathlontraining, ihrem Urlaub, ihr baldiges Medizinstudium und das sie sich Anfang des Jahres von ihrem Freund getrennt hat, mit dem sie fünf Jahre zusammen war. Natürlich hatte sie die Beziehung beendet, weil sie sich totgelaufen hatte und sich das bereits lange ankündigte. Ihr Freund fiel jedoch aus allen Wolken. Das erinnerte mich irgendwie an meine eigenen Erfahrungen und ich betonte, das ich das Erstaunen ihres Ex-Freundes sehr wohl nachvollziehen könne. Daraufhin schloss sie mir elektrische Leiter an mein Knie, drehte den Saft auf, bis es fröhlich vor sich hinzuckte und meinte zu mir, das ich in zwanzig Minuten den schwarzen Knopf drücken und dann gehen könnte.
Um 20:00 Uhr kam Lena vorbei, um ihre Sachen zu holen und meine zu bringen, die sich noch in ihrem Besitz befanden. Als sie vor mir stand, war ich hin- und hergerissen zwischen mit ihr reden wollen oder sie am liebsten gleich wieder vor die Tür setzen. Nach längerem Überlegen entschied ich mich für Ersteres. Je länger ich jedoch mit ihr sprach, desto stärker merkte ich, das ich einfach nicht mehr so mit ihr reden konnte, wie ich es früher tat. Die ganzen kleinen Details, die sie mir aus ihrem Leben berichtete, waren nicht mehr Teil meines Lebens. Auch konnte ich weder lächeln noch Scherze machen, mein Gesicht war wie eine Maske erstarrt. Als sie ging, wollte ein kleiner Teil sie zurückhalten und ihre Anwesenheit genießen, der größte Teil jedoch atmete auf, als sie durch die Tür trat und mich nicht mehr mit ihrer Körperlichkeit behelligte.

4 Kommentare:

Akiem hat gesagt…

Nun weiß ich wieder warum ich hier fast täglich vorbeischaue. Sehr schön geschriebener Bericht eines sehr merkwürdigen Tages, an dem irgendwie alles zusammenpasst. Abgerundet mit dem Bush-Video und einem Zeitungszitat, in dem sehr viel Wahrheit steckt.

PS: Als ich das letzte Mal am Alex war, standen zumindest noch Marx und Engels da. :-)

Mark hat gesagt…

Vielen Dank für die Blumen - ich weiß den Zuspruch zu schätzen. Dachte schon, ich bin zu sehr in die gefühlsdusselige Schiene abgerutscht...

Hab übrigends heute morgen gleich zwei Kaninchen gesehen. Ich hab jetzt ja ne Digicam, da gibt es bald Beweisphotos...

Akiem hat gesagt…

Wo bleiben die Fotos von den 2 rammelnden Kanickeln? ;-)

Anonym hat gesagt…

Ich habe schon vielmehr Kanickel in Berlin gesehen, sogar auf irgendwelchen grünen Verkehrsinseln.